Kommt es zwischen einem links abbiegenden Fahrzeug und dem dieses Fahrzeug Überholenden zu einer Kollision, kann hälftige Schadensteilung angebracht sein, selbst wenn die Pflichtverletzung des Abbiegenden feststeht.
Beide Fahrzeugführer fahren in einer Kolonne. Das erste Fahrzeug (PKW) bremst ab (um in eine Einfahrt einzubiegen), der dahinter fahrende Motorradfahrer schert aus, um das abbremsende Fahrzeug zu überholen.
Das LG Halle entschied in seinem Urteil vom 03.04.07, dass der bei unklarer Verkehrslage Überholende, der von dem nach links abbiegenden Fahrzeugführer, der sowohl seine doppelte Rückschaupflicht als auch seine Pflicht zur rechtzeitigen Anzeige der Änderung der Fahrtrichtung verletzt hatte, erfasst wird, eine Mitschuld in Höhe von bis zu 50% zu tragen habe.
Ähnlich entschied das LG Düsseldorf am 20.12.06. In diesem Fall konnte nicht eindeutig festgestellt werden, ob der Abbiegende die ihm obliegenden Sorgfaltspflichten hinreichend beachtet hatte.
Das Gericht entschied:
Wer bei unklarer Verkehrslage (Kolonne, das erste Fahrzeug verlangsamt um nach links abzubiegen, der sich weiter hinten befindende Motorradfahrer schert aus um zu überholen) überholt muss sich eine erhebliche Mitschuld (hier in Höhe von 75% für den überholenden Motorradfahrer) anrechnen lassen.
Trotz der regelmäßigen Beweisschwierigkeit in solchen Unfallkonstellationen für den nach Links Abbiegenden, er habe die ihm obliegenden Sorgfaltspflichten beachtet (Beachtung der doppelten Rückschaupflicht, Betätigen des Blinkers) muss sich der bei unklarer Verkehrslage Überholende selbst bei Nichtbeweisbarkeit der Beachtung der Sorgfaltspflichten des Abbiegenden aufgrund seines eigenen Verhaltens ein Mitverschulden zwischen 75% und 50% zurechnen lassen.
LG Halle, Urteil vom 3.04.2007, Az. 2 S 315/06
LG Düsseldorf, Urteil vom 08.12.2006, Az. 20 S 130/06