Seit dem 04.12.2010 gilt in Deutschland die Winterreifenpflicht. Es dürfte mittlerweile jedem durch Funk und Fernsehen bekannt sein, dass bei winterlichen Wetterverhältnissen das Fahrzeug nur noch mit Winterreifen betrieben werden darf.
Wird gegen die Winterreifenpflicht verstoßen drohen Bußgelder in Höhe von (EUR 40,00 (ohne Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer) und EUR 80,00 (mit Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer). Hinzu kommt, was für Viele besonders ärgerlich sein dürfte, mindestens 1 Punkt in Flensburg.
Es stellt sich nun die Frage, gilt die Winterreifenpflicht auch für Motorradfahrer?
Der Gesetzestext ist dabei aufgrund der Vielzahl an Bezugnahmen und Verweisen sehr umständlich und schwierig zu lesen.
Zunächst stellt das Gesetz klar, bei welchen Witterungsverhältnissen Winterreifen aufgezogen werden müssen:
„Bei Glatteis, Schneeglätte, Schneematsch, Eis- oder Reifglätte (…)“
soweit ist der Wortlaut der Norm noch recht klar
„darf ein Kraftfahrzeug“
Es stellt sich die Frage, ob ein Motorrad ein Kraftfahrzeug im Sinne der Vorschrift ist.
Was ist ein Kraftfahrzeug?
Es findet sich sowohl auf Bundesebene als auch auf europäischer Ebene eine Definition des Begriffs Fahrzeug.
§ 1 Abs. 2 StVG definiert als Kraftfahrzeuge als Landfahrzeuge, die durch Maschinenkraft bewegt werden, ohne an Bahngleise gebunden zu sein, gelten.
§ 2 Fahrzeugzulassungsverordnung (FZV) bestimmt in Ziff 1 als Kraftfahrzeuge alle nicht dauerhaft spurgeführte Landfahrzeuge, die durch Maschinenkraft bewegt werden und in Ziff. 3 Fahrzeuge als Kraftfahrzeuge und ihre Anhänger und in Ziff. 9 Krafträder als zweirädrige Kraftfahrzeuge mit oder ohne Beiwagen, mit einem Hubraum von mehr als 50 cm³ im Falle von Verbrennungsmotoren, und/oder mit einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von mehr als 45 km/h.
Nach diesen Bestimmungen sind Motorräder Kraftfahrzeuge im Sinne des § 2 Abs. 3a StVZO.
Die Richtlinie 92/23/EWG stellt (mit Verweis auf Richtlinie 70/156/EWG ) folgende Definition zur Verfügung:
„Als Fahrzeuge im Sinne dieser Richtlinie gelten – mit Ausnahme von Schienenfahrzeugen sowie landwirtschaftlichen Zug- und Arbeitsmaschinen – alle zur Teilnahme am Strassenverkehr bestimmten Kraftfahrzeuge mit oder ohne Aufbau, mit mindestens vier Rädern und einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von mehr als 25 km/h , sowie ihre Anhänger.“
Danach sind Motorräder nicht per Definition erfasst.
Richtlinien sind in nationales Recht umzusetzen. Der Gesetzgeber hat bei der Umsetzung einer Richtlinie in nationales Recht einen gewissen Entscheidungsspielraum, Richtlinien sind nicht wortwörtlich umzusetzen.
Der Wortlaut des § 2 Abs. 3a StVO spricht ausdrücklich von Kraftfahrzeugen und nicht von Fahrzeugen.
Der weiter gefasste § 1 StVG, § 2 FZV überlagert meiner Ansicht nach auch die europ. Regelung, so dass auch Motorräder erfasst werden.
Weiter verweist meiner Ansicht nach § 2 Abs. 3a StVO nicht generell auf die europarechtl. Regelungen.
Viel mehr „bedient“ sich die Norm lediglich an 2 Punkten der Definitionen der EWG Richtlinie.
Eine globale Anwendung der Richtlinie ist auch nicht notwendig, da die EWG Richtlinie mit der Änderung der StVZO/FZV in nationales Recht umgesetzt worden ist.
Zum Einen verweist § 2 Abs. 3a StVO im Hinblick auf die Art der Reifen auf die Richtlinie 92/23/EWG.
Zum Andern bedient sich § 2 Abs. 3a StVO zur Bestimmung von Ausnahmen ausdrücklich der europarechtl. Definitionen der Fahrzeugklassen.
Nach meiner Ansicht sind danach Motorräder von der Regelung der Winterreifenpflicht umfasst.
Es stellen sich danach zwei weitere Fragen
1. Was ist ein Winterreifen?
2. Liegt eine Rückausnahme vor?
1. Als erstes stellt sich also die Frage, was unter dem Begriff Winterreifen zu verstehen ist.
Welche Reifen gefahren werden dürfen findet sich (hier ist die Anwendung eindeutig) in Anhang II Nummer 2.2 der Richtlinie 92/23/EWG, die uns sagt:
„M + S-Reifen sind Reifen, bei denen das Profil der Lauffläche und die Struktur so konzipiert sind, daß sie vor allem in Matsch und frischem oder schmelzendem Schnee bessere Fahreigenschaften gewährleisten als normale Reifen. Das Profil der Lauffläche der M + S-Reifen ist im allgemeinen durch größere Profilrillen und/oder Stollen gekennzeichnet, die voneinander durch größere Zwischenräume getrennt sind, als dies bei normalen Reifen der Fall ist;“
Daraus ist zu folgern, dass unter Winterreifen M+S Reifen zu verstehen sind. Problematisch ist dabei, dass die Kennzeichnung M+S selbst nicht näher bestimmt ist. Hier ist dann wieder auf die schwammige Definition des vorbenannten Richtlinie zurück zu greifen. Es stellen sich danach die noch zu beantwortenden Fragen, was für eine Art von Reifen ein M+S Reifen sein muss.
Eine spezielle „weichere“ Mischung, wie man ab und an hört, ist vom Gesetzgeber nicht vorgesehen. Der Gesetzgeber stellt einzig darauf auf die Art des Reifenprofils ab.
Eindeutig nicht als Winterreifen dürften hier straßenzugelassene Semislickreifen und wahrscheinlich auch die Reifen von Sport- und Tourenreifen gelten. Problematisch sehe ich die vorbenannte Definition bei Reifen von Geländermotorrädern, da typischerweise mit einem Stollenprofil ausgerüstet sind. Meiner Ansicht nach entsprechen Geländereifen den Anforderungen an Winterreifen.
2. Die Winterreifenpflicht gilt nicht für Nutzfahrzeuge der Land- und Forstwirtschaft sowie für Einsatzfahrzeuge der in § 35 Absatz 1 StVO genannten Organisationen Polizei, Verwehr, Katastrophenschutz etc.), soweit für diese Fahrzeuge bauartbedingt keine M+S-Reifen verfügbar sind. Motorräder sind als auch nicht ausdrücklich von der Winterreifenpflicht ausgenommen.
„Kraftfahrzeuge der Klassen M2, M3, N2 und N3 gemäß Anlage XXIX der StVZO, dürfen bei solchen Wetterverhältnissen auch gefahren werden, wenn an den Rädern der Antriebsachsen M+S-Reifen angebracht sind.“
Motorräder und Gespanne sind in die Klasse L eingeordnet. Danach müssen Motorräder an allen Achsen mit Winterrädern ausgerüstet werden.
Fazit
Meiner Ansicht nach sind auch Motorräder mit Winterreifen auszurüsten, eine Ausnahme kann hier bei Stollenreifen (Geländereifen) zu sehen sein. Wer bei winterlichen Wetterverhältnissen mit seinem Motorrad unterwegs ist riskiert in jedem Fall ein Bußgeld mit entsprechenden Punkten in Felnsburg. Nachbesserungsbedürftig im Sinne einer klarstellenden Definition der anwendbaren Begrifflichkeiten ist die Norm jedoch alle mal.