Mitverschulden bei Fahren ohne Schutzkleidung

Mitverschulden bei Fahren ohne Schutzkleidung

Der Motorradfahrer, der ohne oder mit nicht ausreichender Schutzkleidung fährt und einen Unfall hat, hat sich nach Ansicht des OLG Brandenburg ein Mitverschulden (sog. Verschulden gegen sich selbst) an den erlittenen Verletzungen anrechnen zu lassen. Dies gilt auch dann, wenn den Biker sonst kein Verschulden an dem Verkehrsunfall trifft.

Das OLG Brandenburg stellt mit Urteil vom 23.07.2009 (Az. 12 U 29/09) stellt zunächst fest, dass zwar für eine über die Helmpflicht hinausgehende Pflicht zum Tragen von Schutzkleidung gesetzlich nicht besteht.

Ein Mitverschulden ist aber nach Ansicht des Gerichts (in Bestätigung der Entscheidung des BGH NJW 1979, 980) auch dann anzunehmen, wenn der Biker auf Schutzkleidung verzichtet und damit diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die ein verständiger und ordentlich handelnder Dritter zur Vermeidung des eigenen Schadens anwenden würde.

Das Gericht führt in den Entscheidungsgründen zum Verschulden gegen sich selbst aus:

„Zu berücksichtigen sind bei der Beantwortung der Frage, ob ein so genanntes Verschulden gegen sich selbst vorliegt, die konkreten Umstände und Gefahren im Verkehr sowie der Gesichtspunkt, was den Verkehrsteilnehmern zuzumuten ist, um diese Gefahren möglichst gering zu halten. Eine Schutzbekleidung hat die primäre Aufgabe, den Motorradfahrer vor den negativen Folgen eines Sturzes zu schützen bzw. diese zu vermindern.

Aufgrund der Instabilität des Fahrzeugs ist der Motorradfahrer nicht nur bei Rennveranstaltungen, sondern auch im normalen Straßenverkehr besonders gefährdet. Deshalb empfehlen sämtliche maßgeblichen Verbände, die sich u. a. mit der Sicherheit und im Besonderen auch mit der Motorradsicherheit befassen, einen Schutz bei jeder Fahrt mit sicherer Motorradbekleidung.

Entsprechende Empfehlungen findet man z. B. beim ADAC, beim Institut für Zweiradsicherheit (ifz), das zudem eine Statistik veröffentlich hat, wonach die Verletzungshäufigkeit gerade im Bereich der Beine bei etwa 80 % liegt, sowie des Deutschen Verkehrssicherheitsrates e. V. Letztgenannter hat im Jahre 2008 beschlossen, an die Motorradfahrer zu appellieren, Schutzkleidung einschließlich Protektoren zu tragen. Die meisten Motorradfahrer empfinden es heutzutage als eine persönliche Verpflichtung, mit Schutzkleidung zu fahren.

Jeder weiß, dass das Fahren ohne Schutzkleidung ein um ein vielfaches höheres Verletzungsrisiko in sich birgt, wobei natürlich nicht verkannt werden soll, dass auch mit dem Tragen von Motorradschutzkleidung nicht jeglichen Verletzungsgefahren entgegengewirkt werden kann. Es kommt auch nicht entscheidend darauf an, zu welchen Leistungen das Motorrad letztlich in der Lage ist. Auch für „kleine Maschinen“ kann auf Schutzkleidung zur Vermeidung schwerer Verletzungen nicht verzichtet werden.

Dass es ungeachtet von Überlegungen (auch in der EU) zur Einführung einer Tragepflicht von Motorradkleidung noch nicht zu einer entsprechenden normierten Festlegung gekommen ist, ändert nichts an der Tatsache, dass ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens eine Schutzkleidung trägt und er, sofern er darauf verzichtet, bewusst ein erhebliches Verletzungsrisiko im Falle eines Unfalls eingeht und es deshalb sachgerecht erscheint, im Rahmen der Bemessung des Schmerzensgeldes ein Verschulden gegen sich selbst schmerzensgeldmindernd zu berücksichtigen (so auch – allerdings ohne Begründung – OLG Düsseldorf NZV 2006, 415 f).“